Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Teilinstitut Hannover
Die Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen
Kontinuierliche Gravitationswellensignale sind um Größenordnungen schwächer als die Gravitationswellen, die mittlerweile routinemäßig von Verschmelzungen schwarzer Löcher oder Neutronensternen beobachtet werden und wurden bisher noch nie nachgewiesen. Meine Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, kontinuierliche Gravitationswellen aufzuspüren und sie als Werkzeug für die Astro- und die Fundamentalphysik zu nutzen.

Neutronensterne sind die dichten Überreste von Supernova-Explosionen. Sie besitzen Durchmesser von ungefähr 20 Kilometern und drehen sich schnell um ihre Achsen. Rotierende Neutronensterne, die nicht-achsensymmetrisch verformt sind und sogenannte Quadrupolmomente aufweisen, erzeugen kontinuierliche Gravitationswellen. Der Nachweis dieser Wellen könnte eine verborgene Population von Neutronensternen innerhalb unserer Milchstraße enthüllen und neue Erkenntnisse über Materie und Schwerkraft unter Extrembedingungen liefern.
Wenn wir ein Signal entdecken, werden wir daran arbeiten, seine Quelle zu identifizieren. Dazu werden wir seine einzigartigen Eigenschaften analysieren und umfassende Suchen in Archivdaten und Nachfolgekampagnen mit Teleskopen ausführen, die im elektromagnetischen Spektrum beobachten. Bis dahin bleiben unsere Suchverfahren breit angelegt und fahnden nach Pulsaren, vermuteten Neutronensternen sowie nach Regionen, die wahrscheinlich reich an Neutronensternen sind; zudem durchmustern wir den gesamten Himmel.
Verfahren, die viele verschiedene Wellenformen umfassen, lassen sich nicht mit den empfindlichsten Suchmethoden ausführen, weil die Verwendung optimaler Methoden zu viel Rechenzeit erfordert. Daher kommen suboptimale Suchmethoden zum Einsatz, bei denen auf ein gewisses Maß an Empfindlichkeit verzichtet wird, um die größtmögliche Anzahl von Wellenformen zu analysieren. Dieser Kompromiss zwischen Tiefe und Breite einer Suche ist ein allgemeines Paradigma bei der Fahndung nach kontinuierlichen Wellen.
Um die Empfindlichkeit zu erhöhen, verbessern wir laufend unsere Suchmethoden und nutzen umfangreiche Rechenressourcen. Unser freiwilliges verteiltes Rechenprojekt Einstein@Home (einsteinathome.org) ermöglicht es der Öffentlichkeit, Rechenzeit auf privaten Computern für die Fahndung nach kontinuierlichen Gravitationswellen beizutragen. Ein Einstein@Home-Suchlauf dauert typischerweise einige Monate, wobei Zehntausende von Rechenaufträgen gleichzeitig bearbeitet werden und dauerhaft eine Rechenleistung von 13,3 PFlop/s zur Verfügung steht. Dank der Großzügigkeit unserer rund 16.000 aktiven Freiwilligen können wir hochempfindliche, speziell entwickelte Suchmethoden einsetzen, wie aus der oben stehenden Abbildung ersichtlich ist [1]. Bitte machen Sie bei Einstein@Home mit – jedes bisschen Rechenleistung hilft!
Unsere Suchen verwenden einen bahnbrechenden mehrstufigen Ansatz, der inzwischen weit verbreitet ist. Die erste (rechenintensive) Phase scannt alle Wellenformen. Sie bestimmt die endgültige Empfindlichkeit der Suche. Diese entscheidende erste Phase wird für die meisten unserer Suchen hauptsächlich auf Einstein@Home ausgeführt. Vielversprechende Wellenformen, die in dieser Phase identifiziert werden, werden in den Follow-ups – einer Reihe von immer tiefer gehenden Suchen – weiter analysiert. In der Regel halten Wellenformkandidaten dieser eingehenden Prüfung nicht stand. Bisher hat keiner der Millionen von Kandidaten, die wir auf diese Weise analysiert haben, die Folgeuntersuchungen überstanden. Das deutet darauf hin, dass sich in den Daten kein Signal nachweisen lässt.
Junge Neutronensterne als interessante Ziele
Das neueste Ergebnis von Einstein@Home [2] beschreibt die Suche nach Neutronensternen, die vermutlich bei den Supernovae in Vela Jr. und G347.3-0.5 entstanden sind. Supernovae – also die Explosionen massereicher Sterne am Ende ihres Lebens – sind chaotische Prozesse, die wahrscheinlich nicht kugelsymmetrisch ablaufen. Daher ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass der Neutronenstern kurz nach seiner Entstehung eine gewisse Quadrupol-Deformation aufweist, die beim schnellen Abkühlen des Sterns „eingefroren“ wird und kontinuierliche Gravitationswellen erzeugt. Das macht junge Neutronensterne in Supernova-Überresten zu interessanten Zielen für unsere Messungen.
Es gibt keine Hinweise auf die Rotationsfrequenz der Sterne in Vela Jr. oder G347.3-0.5 und daher keine Informationen über die Frequenz des Gravitationswellensignals. Das bedeutet, dass wir nach Signalen mit unterschiedlichen Frequenzen und Frequenzänderungen suchen müssen. Angesichts des jungen Alters der Objekte müssen wir davon ausgehen, dass sich die Rotationsfrequenz sehr schnell ändern kann. Das bedeutet, dass die Bandbreite der möglichen Frequenzänderungen sehr groß ist: Wir untersuchten mehr als 1018 verschiedene Wellenformen und beschäftigten Einstein@Home mehrere Monate lang. Anschließend führten wir viele Wochen lang Folgeuntersuchungen der dabei erzielten Ergebnisse mit Tausenden von Rechenkernen unseres hauseigenen Großrechners durch. Leider haben wir kein Signal entdeckt.

Aufgrund dieses Nullergebnisses können wir die Verformung (Elliptizität) der Neutronensterne in diesen Supernova-Überresten auf einen Wert von weniger als 10-6 in einem großen Teil des Frequenzbandes beschränken. Dies ist ein durchaus realistischer Wert für Neutronensterne und zeigt uns somit, dass selbst sehr junge Objekte bemerkenswert kugelförmig sind.
Ein entscheidendes Maß für die mögliche Amplitude kontinuierlicher Gravitationswellen dieser Objekte ist die altersbasierte Grenze. Diese Grenze gibt die Gravitationswellenamplitude an, die erforderlich ist, um den gesamten Verlust an Rotationsenergie seit der Entstehung des Sterns durch die Abstrahlung von Gravitationswellen zu erklären. Unsere oberen Grenzwerte für die Gravitationswellenamplitude liegen sowohl für Vela Jr. als auch für G347.3-0.5 deutlich unter dieser indirekten altersbasierten Grenze. Das ist ein weiterer Hinweis dafür, dass wir physikalisch interessante Signale untersuchen.