Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Meteorologie
In der Pazifikregion zeigt sich der Klimawandel anders als erwartet
Der tropische Pazifik scheint weit weg, er beeinflusst jedoch das Wettergeschehen auf der ganzen Welt. Beispiele dafür bieten die Wetterphänomene La Niña und El Niño: Diese manifestieren sich als Veränderung der atmosphärischen Zirkulation über dem tropischen Pazifik, sorgen aber durch Extremwetterlagen rund um den Globus für Schlagzeilen. Grundsätzlich bewegen sich Luftmassen über dem tropischen Pazifik in einem Kreislauf, den wir als Walker-Zirkulation bezeichnen. Dabei steigt über dem westlichen Pazifik warme, feuchte Luft auf, während kühlere, trockene Luft über dem Ostpazifik absinkt. Oberflächennahe äquatoriale Passatwinde, die von Ost nach West wehen, schließen den Kreislauf. La Niña ist mit einer Verstärkung und El Niño mit einer Abschwächung dieser Zirkulation verbunden.
Vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels interessiert uns, wie sich die Walker-Zirkulation in Zukunft verändert. Es gibt stichhaltige Argumente dafür, dass sie sich durch die globale Erwärmung allmählich abschwächen wird. Beobachtet wird allerdings seit fast 40 Jahren das Gegenteil: Die Walker-Zirkulation hat sich beschleunigt. Wie passt das zusammen?
Zwei gegenläufige Effekte
In einer von mir geleiteten Studie haben Masahiro Watanabe von der Universität Tokio, Veronika Gayler aus meiner Abteilung „Klimadynamik“ am Max-Planck-Institut für Meteorologie und ich uns die Vorgänge in der Atmosphäre über dem Pazifik genauer angeschaut. Dazu haben wir einem speziellen Klimamodell, „allgemeines atmosphärisches Zirkulationsmodell“ genannt, unterschiedliche Erwärmungsstärken und Muster der Meeresoberflächentemperatur vorgegeben und die resultierenden Simulationen miteinander verglichen.
Es zeigte sich, dass es zwei gegenläufige Effekte gibt, die die Stärke der Walker-Zirkulation bestimmen: Ein globaler Temperaturanstieg sorgt wie angenommen für eine Abschwächung der Zirkulation. Allerdings wirkt das Muster der Meeresoberflächentemperatur, das wir aktuell beobachten, verstärkend: Der Ostpazifik ist deutlich kühler als der Westpazifik. Dieser Unterschied verstärkt die Walker-Zirkulation, und das überkompensiert aktuell den schwächenden Effekt der globalen Erwärmung. Die Auswirkung des globalen Temperaturanstiegs war also grundsätzlich richtig vorhergesagt worden, aber der Effekt des Temperaturmusters im pazifischen Ozean blieb unberücksichtigt.

Nur: Warum ist das Temperaturmuster so, wie es ist – und wie lange wird es so bleiben? Auch das ist eine drängende Frage, die die Klimaforschung beschäftigt. Angesichts global steigender Temperaturen hätten wir eigentlich erwartet, dass sich der gesamte Pazifik aufheizt. Stattdessen ist nur der Westpazifik wärmer geworden. Im Ostpazifik beobachten wir seit Jahrzehnten eine La-Niña-artige Abkühlung. Klimamodelle können dies nicht reproduzieren. Demnach sind die Prozesse dahinter nicht richtig verstanden. Doch auch hier sind wir der Lösung in diesem Jahr einen Schritt nähergekommen.
Unterschätzte Fernwirkungen
Der Schlüssel zum Verständnis der Diskrepanz zwischen Modell und Beobachtung scheint weit außerhalb der Tropen zu liegen. Mit Hilfe von Klimasimulationen konnte ich einen Mechanismus identifizieren, durch den der in den vergangenen Jahrzehnten auffallend kalte Südliche Ozean das Abkühlen des Ostpazifiks steuert. Diese Fernwirkung, in der Fachsprache Telekonnektion genannt, wurde bislang unterschätzt und blieb unberücksichtigt. Dies zeigt uns, wie wir weiter voranschreiten können: Wir müssen die Prozesse, die zur Abkühlung des Südlichen Ozeans führen, besser darstellen. Ein möglicher Faktor sind relativ kleine, kurzlebige Ozeanwirbel. Hier könnten die aktuellsten gekoppelten Klimamodelle mit kilometerskaliger Auflösung neue Mechanismen aufdecken – eine spannende Zeit für unser Fachgebiet.
Es gibt jedoch noch andere potenziell wichtige Effekte, die zur Abkühlung des Ostpazifiks beitragen, ohne dass es darunter einen einzigen dominierenden Faktor gibt. Hierzu haben Masahiro Watanabe und ich zusammen mit weiteren Kollegen und Kolleginnen 150 wissenschaftliche Studien ausgewertet. So konnten wir mehrere Mechanismen identifizieren, die den Ostpazifik abkühlen. Um diese Gemengelage zu überblicken und das Rätsel um das Erwärmungsmuster im tropischen Pazifik zu lösen, braucht es einen multidisziplinären Ansatz, der die Dynamik des globalen Klimas, die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Ozean sowie die Strahlungseffekte der Wolken berücksichtigt.
Um die Forschungsanstrengungen zu koordinieren, haben wir vor kurzem TROPICS gegründet – eine internationale Arbeitsgruppe, die ich gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen leite. Diese Gruppe arbeitet im Rahmen des Weltklimaforschungsprogramms. Sie soll die Diskrepanz zwischen Modellen und Beobachtungen hinsichtlich des Erwärmungsmusters im tropischen Pazifik beheben und damit eine der dringendsten Fragen der Klimaforschung beantworten.
Trotz der noch nicht abgeschlossenen Diskussionen denken wir, dass die Prozesse, die zur Abkühlung des Ostpazifiks führen, höchstwahrscheinlich vorübergehend sind. Irgendwann wird sich der Ostpazifik durch den Klimawandel sogar stärker erwärmen als der Westpazifik, und auch die Walker-Zirkulation wird sich abschwächen. Die entscheidende Frage ist, wann dieser Übergang von der derzeitigen Abkühlung zu einer Erwärmung stattfinden wird.
Literaturhinweise
DOI: 10.1029/2024GL111897
DOI: 10.1038/s41586-024-07452-7