Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für Chemie

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen könnte Millionen Todesfälle verhindern

Autoren
Lelieveld, Jos; Haines, Andy; Burnett, Richard; Tonne, Cathryn; Klingmüller, Klaus; Münzel, Thomas; Pozzer, Andrea
Abteilungen

Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz

Zusammenfassung
Unsere Studie am Max-Planck-Institut für Chemie liefert neue Argumente für den raschen Ausstieg aus der Nutzung fossilen Brennstoffen. Wir analysierten die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Gesundheit und deren Belastung für die Bevölkerung. Die Zuordnung der Gesamtsterblichkeit sowie krankheitsspezifischer Todesfälle zu bestimmten Emissionsquellen zeigt: Ein weltweiter Ausstieg aus fossilen Brennstoffen könnte jährlich etwa fünf Millionen Todesfälle verhindern, die darauf zurückzuführen sind. 

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen könnte mehr als fünf Millionen Todesfälle verhindern

Luftverschmutzung ist nach wie vor eine der größten Risiken für die öffentliche Gesundheit. Frühere Schätzungen der zurechenbaren Sterblichkeitslast – der sogenannten Übersterblichkeit – variieren erheblich. Dies liegt in erster Linie an unterschiedlichen Annahmen über den Zusammenhang zwischen Exposition und Wirkung, eine weitere Ursache ist die Auswahl der berücksichtigten Todesursachen. Darüber hinaus haben bisher nur wenige globale Studien die Sterblichkeit auf bestimmte Luftverschmutzungsquellen zurückgeführt. 

Diese Lücke schließen wir mit dieser Studie. Wir bewerten darin die Folgen, die der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen auf die Luftverschmutzung und somit auf die krankheitsspezifischen Sterbefälle und die Gesamtsterblichkeit hätte. Wir schätzen, dass weltweit jährlich etwa 5,1 Millionen zuschreibbarer Todesfälle auf Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe zurückzuführen sind (Abb. 1). Diese könnten durch den Umstieg auf saubere, erneuerbare Energiequellen vermieden werden. 

Unsere Ergebnisse basieren einerseits auf Daten der Global Burden of Disease Study 2019 – globale Gesundheitsdaten, die standardisiert erfasst und vergleichbar ausgewertet werden – und satellitengestützten Feinstaub- und Bevölkerungsdaten. Eine weitere Basis bilden relative Risikomodellierungen, die das Verhältnis zwischen Schadstoffexposition und gesundheitlicher Wirkung abbilden. Dabei wird untersucht, wie viele Menschen an bestimmten Krankheiten und insgesamt sterben, weil sie langfristig Feinstaub mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (PM2,5) und Ozon (O3) ausgesetzt sind. Die Todesfälle werden den jeweiligen Emissionsquellen zugeordnet.
Laut dieser Studie hängen die meisten Todesfälle (52 %) mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammen. Dies sind insbesondere ischämische Herzerkrankungen (30 %), die die Durchblutung des Herzens stören und zu Herzinfarkten führen können. Schlaganfall und chronisch obstruktive Lungenerkrankung machen jeweils etwa 16 % aus, Diabetes etwa 6 %. Etwa 20 % waren undefiniert, dürften aber teilweise mit Bluthochdruck und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson zusammenhängen. 

Vier Szenarien mit unterschiedlich starker Reduktion der Luftverschmutzung

Um weltweit die Menge von gasförmigen und partikelförmigen Luftschadstoffen zu berechnen und sie verschiedenen Quellen zuordnen zu können, entwickelte unser internationales Team ein datengestütztes globales Atmosphärenmodell. Dieses Modell nutzten wir, um herauszufinden, wie stark sich die Feinstaubbelastung (PM2,5) und damit die Gesundheitsbelastung verändern, wenn die verschiedenen Quellen für Feinstaub nacheinander per Computersimulation ausgeschaltet werden.

Wir führten Berechnungen für vier verschiedene Szenarien durch. Dabei wurde angenommen, dass alle Emissionsquellen, die mit fossilen Brennstoffen zusammenhängen, nach und nach abgebaut werden.

Im ersten Szenario wurden alle mit fossilen Brennstoffen verbundenen Emissionsquellen gestoppt. Feinstaubquellen aus fossilen Brennstoffen sind in erster Linie auf die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zurückzuführen. Das zweite und dritte Szenario gehen jeweils von einer 25- bzw. 50-prozentigen Reduzierung der Feinstaubquellen aus, die aus der Nutzung fossiler Brennstoffe entstehen. Laut dem vierten Szenario schließlich gab es keinerlei andere anthropogene Feinstaubquellen, sondern nur noch natürliche Emissionen wie zum Beispiel Wüstenstaub und Ruß aus natürlichen Waldbränden. Anthropogene Feinstaubquellen umfassen alle vom Menschen verursachten Emissionen, die nicht notwendigerweise auf fossile Brennstoffe beschränkt sind. Dazu gehören Reifen- und Bremsenabrieb, Emissionen aus Produktionsprozessen (z. B. Zement- und Stahlherstellung), Ammoniakemissionen aus Düngemitteln und Tierhaltung, Holz- und Pelletheizungen sowie Müllverbrennung. 

Je weniger fossile Brennstoffemissionen desto weniger Todesfälle

Die Szenarien ergaben, dass das Verhältnis zwischen Schadstoffbelastung und gesundheitlicher Wirkung annähernd linear ist. Daraus schlussfolgern wir: Je weniger fossile Brennstoffe verwendet werden, desto geringer ist die Zahl der Todesfälle, die durch Luftverschmutzung verursacht werden. Annähernd linear bedeutet aber auch, dass jeglicher Umfang der Emissionsreduzierung die Zahl der Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, erheblich senken kann. 

Aus unserer Studie lässt sich somit schlussfolgern, dass der Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen erhebliche Vorteile für die öffentliche Gesundheit und das Klima mit sich bringen würde. Das wäre angesichts des Ziels des Pariser Klimaabkommens, bis 2050 klimaneutral zu sein, ein hoffnungsvolles Ergebnis.


 

Murray C.J.L.; Aravkin A.Y.; Zheng P.; et al.
Global burden of 87 risk factors in 204 countries and territories, 1990–2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019.
The Lancet, Volume 396, Issue 10258, 1223-1249 (2020)

Literaturhinweise

Lelieveld J.; Klingmüller K.; Pozzer A.; Burnett R.T.; Haines A.; Ramanathan V.
Effects of fossil fuel and total anthropogenic emission removal on public health and climate.
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, April 9, 2019; vol. 116; No. 15: 7192-7197 (2019)
Pozzer A.; Anenberg S.C.; Dey S.; Haines A.; Lelieveld J.; Chowdhury S;
Mortality attributable to ambient air pollution: A review of global estimates.
GeoHealth, Volume 7, Issue 1; e2022GH000711 (2023)

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