Forschungsbericht 2024 - Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Unsichtbare Allianzen: Die Rolle mariner Symbiosen im globalen Schwefelkreislauf

Autoren
Kröber, Eileen
Abteilungen
Emmy-Noether-Forschungsgruppe Organoschwefel-Kreislauf
Zusammenfassung
Verborgen im Meer gibt es faszinierende Partnerschaften zwischen Mikroorganismen und Tieren: Chemosynthetische Symbiosen. Diese Partnerschaften spielen eine Schlüsselrolle im marinen Schwefelkreislauf, der sowohl das Leben im Ozean als auch das Klima beeinflusst. Bedeutend dabei sind Dimethylsulfoniopropionat und Dimethylsulfid, Substanzen, die von Meeresorganismen sowohl produziert als auch abgebaut werden. Chemosynthetische Symbiosen wandeln diese Schwefelverbindungen um und könnten so den globalen Schwefelkreislauf und die Klimaregulierung maßgeblich beeinflussen.

Das Meer und sein verborgener Schwefelkreislauf

In den Tiefen der Weltmeere existieren hochdynamische Stoffkreisläufe, die nicht nur das marine Ökosystem, sondern auch das Klima der Erde beeinflussen. Viele dieser Prozesse bleiben dem menschlichen Auge verborgen, aber sie sind entscheidend für das Zusammenspiel zwischen den Meeresbewohnern und ihrer Umwelt. Besonders faszinierend ist der organische Schwefelkreislauf. Er beeinflusst sowohl das Leben im Ozean als auch das Klimageschehen, insbesondere durch die organische Verbindung Dimethylsulfoniopropionat (DMSP) und deren Abbauprodukt Dimethylsulfid (DMS).

Pflanzen und andere Meeresorganismen, wie Phytoplankton, Makroalgen, Seegras und manche Bakterien, produzieren jährlich beeindruckende neun Milliarden Tonnen DMSP. Das DMSP hilft diesen Organismen, osmotischen Stress auszugleichen, schützt sie vor oxidativem Schaden und dient als Abwehrstoff gegen Fressfeinde. Gleichzeitig ist DMSP auch ein wertvoller Nährstoff für zahlreiche andere Organismen, vor allem für Mikroorganismen. Aber DMSP ist noch viel mehr als nur eine wertvolle Schwefel- und Kohlenstoffquelle, da es das gesamte Meeresökosystem beeinflusst. Durch biochemische Prozesse wird DMSP nämlich zu DMS abgebaut – ein flüchtiger Stoff, der teilweise in die Atmosphäre entweicht und so zur Regulierung des Klimas beitragen kann.

In der Atmosphäre spielt DMS eine wichtige Rolle bei der Wolkenbildung. Es fördert die Entstehung von Wolkenkondensationskeimen, die die Sonnenstrahlung reflektieren und so eine kühlende Wirkung auf das Klima haben. Dieser Mechanismus wirkt wie ein natürlicher Klimapuffer und könnte helfen, den Treibhauseffekt teilweise zu mildern. Doch trotz der Bedeutung von DMSP und DMS für das Klima verstehen wir die genauen Mechanismen, über die diese Verbindungen im Meer zirkulieren und von Organismen verarbeitet werden, bis heute nur zum Teil. Unsere Forschungsgruppe widmet sich daher intensiv einem ganz besonderen Akteur in diesem Kreislauf, den chemosynthetischen Symbiosen.

Energie aus Schwefel

Chemosynthetische Symbiosen sind enge Partnerschaften zwischen Tieren und Bakterien, bei denen die Bakterien anorganische Verbindungen, wie Schwefelwasserstoff, Sulfat oder Methan, in organische Substanzen umwandeln. Diese Umwandlung deckt den Energie- und Nährstoffbedarf ihrer Wirte und ermöglicht es den Tieren, in nährstoff- und sauerstoffarmen Lebensräumen, wie dem Meer, zu überleben. Zu den Wirtstieren solcher symbiotischen Bakterien gehören unter anderem darmfreie Oligochaeten wie Olavius spp., Inanidrillus spp. und Mondmuscheln. Diese Tiere profitieren von der Energie, die ihre bakteriellen Partner bereitstellen.

Interessanterweise kommen chemosynthetische Symbiosen häufig in Regionen vor, die als Hotspots für die Produktion von Schwefelverbindungen, wie DMSP und DMS, bekannt sind, etwa Mangroven und Seegraswiesen, die enorme Mengen an Kohlendioxid fixieren und DMSP produzieren (Abb. 1). Insbesondere in nährstoffarmen Umgebungen könnten DMSP und DMS den symbiotischen Bakterien als wichtige Ressource dienen und so zur Stabilität und Funktion der Symbiosen beitragen – ein spannendes Gebiet, das wir weiter erforschen.

Für unsere Untersuchungen nutzen wir unter anderem metagenomische und metatranskriptomische Analysen. Metagenomik ist die Analyse aller Gene in einer Umweltprobe, um die dort lebenden Organismen und ihre Funktionen zu verstehen. Metatranskriptomik ist die Untersuchung aller aktiven Gene in einer Umweltprobe, um zu sehen, welche Funktionen gerade genutzt werden. Erste Metagenom- und Transkriptomanalysen der Symbiose Gemeinschaften zeigen eine bemerkenswerte genetische Vielfalt bei Enzymen, die am Abbau von DMSP und DMS beteiligt sind. Dies deutet darauf hin, dass die verschiedenen Bakterien vermutlich unterschiedliche Strategien für den Abbau dieser Substanzen nutzen. Besonders in den Symbionten der darmfreien Würmer haben wir spannende Gene gefunden: Diese Bakterien besitzen Enzyme für den Abbau von DMSP und die Oxidation von DMS, was eine bessere Verfügbarkeit von Schwefel und Kohlenstoff für ihre Wirte bedeuten könnte. Bei Mondmuscheln, die wie die Würmer in ähnlich schwefelreichen Habitaten leben, finden wir weniger Gene für den DMSP-Abbau. Deren Symbionten scheinen sich stärker auf die Reduktion von DMSO, einer oxidierten Form von DMS, zu spezialisieren. Es scheint also ganz so, als ob die Symbiosen in verschiedenen Wirten spezialisierte Nischen in der Verwertung dieser Stoffe besetzen (Abb. 2).

Ökologische und klimatische Bedeutung

Je mehr wir darüber wissen, wie diese Symbiosen funktionieren, desto besser verstehen wir den globalen Schwefelkreislauf und den Einfluss natürlicher Prozesse auf das Klima. Die Rolle chemosynthetischer Symbiosen für die Kontrolle des DMS-Kreislaufs und somit für die Regulierung des Klimas scheint bislang unterschätzt. Indem die Symbionten DMSP und DMS abbauen und in DMSO und weitere Schwefelverbindungen umwandeln, greifen sie in die Regulation der Menge des in die Atmosphäre entweichenden DMS ein. Dieser Eingriff verringert möglicherweise die Freisetzung von Schwefel, da die Symbionten das klimarelevante DMS verstoffwechseln, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Darüber hinaus stellen symbiotische Gemeinschaften durch den Abbau von DMSP und DMS wichtige Nährstoffe für ihre Wirte bereit und erweitern und stabilisieren so deren Lebensräume. Deshalb sind diese Symbiosen wichtig für die Erhaltung von Ökosystemen wie Seegraswiesen, die selbst aufgrund ihres Potenzials, CO2 zu fixieren, eine bedeutende Rolle für unser Klima, den Küstenschutz und die Biodiversität spielen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, das komplexe Zusammenspiel von chemosynthetischen Symbiosen und deren Lebensräumen im Zusammenhang mit der Freisetzung von DMS zu erforschen, da jeder dieser Aspekte eine wesentliche Rolle für das ökologische Gleichgewicht und die Klimaregulierung spielt – mit unserer Forschung wollen wir einen Beitrag dazu liefern.

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